Autozulieferer ZF: 12.000 Beschäftigte protestieren gegen Kahlschlag

Am gestrigen Dienstag setzten sich die Proteste gegen die Sparmaßnahmen und Stellenabbaupläne beim weltweit sechstgrößten Autozulieferer ZF Friedrichshafen AG fort. Bundesweit demonstrierten über 12.000 Menschen gegen die Pläne des Vorstands, zusätzliche Tausende Arbeitsplätze abzubauen und Löhne und Gehälter weiter zu senken.

4.500 ZF-Beschäftigte protestieren in Schweinfurt (29. Juli 2025) [Photo by IGM Schweinfurt]

Schon am Vormittag marschierten rund 6.000 Beschäftigte der beiden ZF-Werke sowie des Forschungszentrums in der Bodenseestadt zur Konzernzentrale. Dort begann die noch bis heute dauernde Aufsichtsratssitzung, auf der zusätzliche Schritte des bereits angekündigten Kahlschlags beschlossen werden sollen.

Auch in Saarbrücken und in Schweinfurt fanden Proteste statt. Vor dem bayerischen Werk in Schweinfurt demonstrierten 4.500 Beschäftigte für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze. 8.600 Menschen arbeiten dort. In der saarländischen Hauptstadt protestierten knapp 2.000 Beschäftigte. Derzeit arbeiten bei ZF im Saarland rund 8.500 Menschen. Bisherige Planungen sehen dort einen Stellenabbau von 4.500 von einst rund 10.000 Stellen bis Ende 2028 vor.

Der Vorstand hatte nach mehreren Jahren mit Verlusten und hohen Schulden durch milliardenschwere Übernahmen, insbesondere in den USA, schon im letzten Sommer angekündigt, bis Ende 2028 in Deutschland bis zu 14.000 Stellen zu streichen. Das entspricht etwa jedem vierten Arbeitsplatz am Standort Deutschland.

Die Wirtschaftswoche hatte schon im letzten November aus den internen Unterlagen zum Sanierungsplan berichtet (ohne jedoch eine Zahl zu nennen), dass 15 Werke mit 300 oder weniger Beschäftigten von der Schließung bedroht seien, dass aber auch größere Standorte wie Friedrichshafen mit massiven Stellenstreichungen rechnen müssten. Seit Anfang 2024 seien bereits 5.700 Jobs weggefallen. Nun sollen weitere Einschnitte folgen.

Die Überlegungen reichen bis hin zur Ausgliederung und zum möglichen Verkauf der gesamten Antriebssparte („Division E“), mit der einschneidende Veränderungen für bis zu 30.000 Beschäftigte verbunden wären. Vor allem ältere Werke mit hoher Spezialisierung und vergleichsweise geringer Proftitmarge stehen im Fokus des Konzernumbaus. Der ZF-Vorstand hat als zentrale Zielgröße vorgegeben, dass jede Fabrik mindestens eine Marge von zehn Prozent erreichen muss. Wird dieser Wert verfehlt, drohen Schließung oder Verkauf.

Im vergangenen Jahr betrug der Konzernverlust über eine Milliarde Euro, nachdem 2023 noch ein Gewinn von 126 Millionen Euro vermeldet worden war. Insgesamt hat ZF, nach Bosch der zweitgrößte Autozulieferer in Deutschland, nach eigenen Angaben aktuell mehr als 10 Milliarden Euro Schulden. Das Unternehmen meldet schleppende Geschäfte im Bereich der Elektromobilität, gesunkene Auftragszahlen und massive Investitionsverpflichtungen. Auch die Zölle, die die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) mit US-Präsident Donald Trump am Wochenende vereinbarte, dürften zu weiteren Sparmaßnahmen beim Autozulieferer führen.

Am morgigen Donnerstag legt ZF die Halbjahreszahlen für 2025 vor. Die ZF Friedrichshafen AG ist zu über 93 % im Besitz der Zeppelin-Stiftung, die von der Stadt Friedrichshafen verwaltet wird, und nicht an der Börse. Die Dividende geht daher zum Großteil an die Stadt Friedrichshafen.

Vor etwa zwei Wochen hatte die ZF-Führung auf Betriebsversammlungen angekündigt, die bislang mit IG Metall und Betriebsrat vereinbarten Lohnsenkungen und die Arbeitsplatzvernichtung reichten nicht aus. Laut IG Metall hat sie den Belegschaften bereits Kürzungen von jährlich 30 Millionen Euro aufgeladen, unter anderem durch Arbeitszeitverkürzungen ohne Lohnausgleich.

Wenn sich daher nun die IG Metall und ihre Betriebsräte an die Spitze der Proteste stellen, dann nur, um die Belegschaften auf weitere Kürzungen einzustimmen, die sie dann den Belegschaften verkaufen und gemeinsam mit dem Vorstand umsetzen werden.

Helene Sommer, erste Bevollmächtigte der IG Metall Bodensee-Oberschwaben, warf dem Vorstand auf der Kundgebung vor der Konzernzentrale in Friedrichshafen ein mangelndes Konzept vor. „Wir stehen hier, weil wir einen Kurswechsel brauchen“, rief die Tochter des langjährigen DGB-Vorsitzenden Michael Sommer.

„Wir haben uns operativ verbessert, das Ergebnis ist schlechter, das ist der Inbegriff des Fasses ohne Boden“, stimmte sie die Belegschaft ein. Für die Belegschaft gebe es keine Perspektive, wenn das Herzstück des Unternehmens, die Antriebssparte, verkauft oder ausgegliedert werde. „Wir werden es nicht zulassen, dass ZF das Herz herausgerissen wird“, so Sommer weiter.

Ihr Ehemann, Gesamtbetriebsratschef Achim Dietrich, warf Vorstandschef Holger Klein vor, das Unternehmen aus einer „McKinsey-Perspektive“ zu führen, ohne die Beschäftigten mitzunehmen: „Wir müssen wieder jemanden finden, der uns anführt, und das tut Klein nicht“, so Dietrich. Die Beschäftigten dürften nicht allein die Kosten der Krise tragen.

In Saarbrücken behauptete der dortige Bevollmächtigte der IG Metall Patrick Selzer: Man werde „die Spielchen des Vorstandes in keiner Weise mittragen“. Ein Umbau des Konzerns ohne die Belegschaften werde nicht möglich sein. Auch er forderte: „Wir brauchen eine Zukunftsperspektive.“

Was die Betriebsräte und Gewerkschaftsfunktionäre der IG Metall unter „Einbeziehung der Beschäftigten“ und „Zukunftsperspektive“ verstehen, haben sie in den letzten Jahren bei ZF und in vielen anderen Betrieben gezeigt, bei VW, Ford, Opel, Mercedes, Bosch, Continental, zuletzt bei Thyssenkrupp Stahl und vielen, vielen kleineren Betrieben.

Sie – die Vertreter des Gewerkschaftsapparates – wollen ein Wort mitreden bei der Ausarbeitung der Mechanismen und Regelungen des Kahlschlags. Ihre Pfründe sollen geschützt werden, die Belegschaften sollen mit Formulierungen wie „Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen“, „sozialverträglicher Abbau“ und mithilfe von Sozialtarifverträgen zum Verzicht auf Löhne und Jobs gezwungen werden.

Es sind diese Mechanismen und Formulierungen, die der ZF-Aufsichtsrat aktuell auf seiner zweitägigen Sitzung diskutiert. Denn im Aufsichtsrat sitzen sowohl Helene Sommer als auch ihr Ehemann Achim Dietrich folgende IGM-Funktionäre und Betriebsräte:

  • Barbara Resch, Bezirksleiterin der IG Metall Baden-Württemberg (Stellvertretende Vorsitzende)
  • Peter Kippes, Funktionsbereichsleiter Betriebspolitik IG Metall
  • Mario Kläs, Vorsitzender des Standortbetriebsrats Saarbrücken der ZF Friedrichshafen AG
  • Oliver Moll, Vorsitzender des Standortbetriebsrats Schweinfurt der ZF Friedrichshafen AG
  • Jürgen Sammer, Vorsitzender des Gesamtsprecherausschusses der ZF Friedrichshafen AG
  • Jens Schäfer, Vorsitzender des Standortbetriebsrats Hannover der ZF CV Systems Hannover GmbH
  • Hermann Sicklinger, Vorsitzender des Standortbetriebsrats Passau der ZF Friedrichshafen AG
  • Erdal Tahta, Vorsitzender des Standortbetriebsrats Koblenz der ZF Active Safety GmbH

Diese Funktionäre, deren Arbeitsplätze und Auskommen nicht gefährdet sind, werden die aus Sicht des Vorstands notwendige „Restrukturierung“ mit allen dazugehörigen Angriffen auf Löhne und Arbeitsplätze mittragen, wenn sie nur darin mit einbezogen werden.

Die gegenwärtige Krise der Automobilindustrie ist Bestandteil eines globalen Angriffs auf die Arbeiterklasse. In aller Welt werden Arbeitsplätze vernichtet, soziale Errungenschaften und demokratische Rechte geschliffen, die Arbeiterklasse frontal angegriffen. Das eingesparte Geld wird zur Finanzierung von Völkermord, Krieg und wahnsinniger Aufrüstung genutzt.

Das ist auch in Deutschland so. Während die Bundesregierung hunderte Milliarden Euro in Aufrüstung und Krieg steckt, weitet sich das Arbeitsplatzmassaker in der Auto-, Zulieferer-, Chemie-, Stahl- und anderen Schlüsselindustrien aus. Die Gewerkschaften sorgen dafür, dass der Arbeitsplatzabbau reibungslos über die Bühne geht und jeder Widerstand dagegen im Keim erstickt wird, indem sie die betroffenen Belegschaften isolieren.

Die deutsche Rüstungsindustrie hingegen macht fantastische Profite. Die Konzerne melden pralle Auftragsbücher. Es wird erwartet, dass die neuen Kriegskredite über eine Billion Euro die Profite von Rheinmetall und anderer Rüstungsunternehmen noch stärker explodieren lassen, als schon geschehen.

Während also Arbeitsplätze, von denen die Existenz hunderttausender Familien und ganzer Regionen abhängen, vernichtet werden, werden alle gesellschaftlichen Ressourcen in Krieg und Vernichtung gesteckt. Das ist das Symptom eines zutiefst kranken Gesellschaftssystems. Die Verteidigung der Arbeitsplätze fällt unter diesen Bedingungen untrennbar mit dem Kampf gegen Krieg und Kapitalismus zusammen.

Das erfordert einen Bruch mit den Gewerkschaftsapparaten, die sich in Handlanger der Konzerne verwandelt haben und die Kriegs- und Aufrüstungspolitik der Regierung uneingeschränkt unterstützen.

Wir rufen daher alle ZF-Beschäftigten und alle Arbeiterinnen und Arbeiter auf, unabhängige Aktionskomitees zu gründen, die von den Beschäftigten selbst kontrolliert werden, um die Arbeitsplätze zu verteidigen und sich mit Kolleginnen und Kollegen auf der ganzen Welt zu vernetzen. Nehmt dazu Kontakt mit uns auf. Meldet euch per Whatsapp unter +491633378340 und registriert euch über das unten stehende Formular.

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