Perspektive

Ronald Adams und Brayan Neftali Otoniel Canu Joj: Leben zweier Arbeiter dem Profit geopfert

Gedenkort für Ronald Adams am Haus seiner Familie

In der vergangenen Woche erhielt die Familie des amerikanischen Autoarbeiters Ronald Adams Sr. endlich den Bericht über dessen Obduktion. Adams war im April bei seiner Arbeit im Motorenwerk von Stellantis in der Kleinstadt Dundee im US-Bundesstaat Michigan ums Leben gekommen. Der Industriemechaniker war gerade dabei, eine Teilewaschanlage zu warten, als ein Teil eines Portalkrans, mit dem Zylinderköpfe bewegt werden, ihn zu Boden drückte und ihn an einem Förderband einklemmte.

Die Details der Obduktion sind erschreckend. Die Maschine brach ihm 18 von 24 Rippen, zertrümmerte sein Brustbein und brach ihm die Wirbelsäule. Er erlitt zudem massive innere Blutungen in der Lunge. Es gibt Anzeichen dafür, dass er vor seinem Tod noch mehrere Atemzüge tat.

„Die Art und Weise des Todes wird als Unfall eingestuft“, lautet das Fazit des Berichts. Das Wort „Unfall“ bezeichnet ein unkontrollierbares Ereignis. Die grundlegende Realität ist jedoch, dass Adams’ schrecklicher Tod nicht möglich gewesen wäre, wenn die bestehenden Arbeitsschutzgesetze und -vorschriften eingehalten worden wären.

Nach geltendem Recht müssen Arbeiter bei der Wartung von Maschinen eine Sperrvorrichtung anbringen, um physisch zu verhindern, dass diese eingeschaltet werden können. Wenn dies dennoch geschah, dann deshalb, weil diese Verfahren nicht befolgt wurden. Arbeiter berichteten der WSWS, dass die Geschäftsleitung die Produktion rasch wiederaufnehmen wollte und routinemäßig „Cheat Keys“ verwendete, um Schutzeinrichtungen nach dem Lockout-Tagout-Verfahren (LOTO) zu umgehen. Diese grundlegende Maßnahme dient dazu sicherzustellen, dass Maschinen während der Wartung außer Betrieb gesetzt sind.

Die Funktionäre der Gewerkschaft United Auto Workers (UAW) sitzen gemeinsam mit dem Management in „Sicherheitsgremien“ und sie sabotieren jeglichen Widerstand der Arbeiter. Sie sind Komplizen von Stellantis. Das schuldbewusste Schweigen von UAW-Präsident Shawn Fain und der lokalen UAW-Ortsgruppe 723 beruht auf dem Bewusstsein, dass alles, was sie sagen, gegen sie verwendet werden kann und wird. Unterdessen hat Stellantis mit dem vollen Segen der UAW die Produktion im Werk Dundee wieder vollständig aufgenommen, wobei nun an jedem gebauten Motor das Blut eines Arbeiters klebt.

Ronald Adams Sr., seine Frau Shamenia und weitere Familienmitglieder [Photo by Adams Family]

Der Fall Adams kam nur dank der Bemühungen seiner Familie und der einfachen Arbeiter ans Licht. Die Internationale Arbeiterallianz der Aktionskomitees (IWA-RFC) hat eine Untersuchung organisiert und Aussagen von Kollegen, Sicherheitsexperten und anderen Personen gesammelt, um jeden Aspekt dieses vermeidbaren Todesfalls akribisch zu dokumentieren. Das Ziel dieser Untersuchung besteht darin, Arbeitern auf der ganzen Welt die Informationen an die Hand zu geben, die sie benötigen, um sich gegen ähnliche Bedingungen zu wehren.

Der Tod von Adams reiht sich ein in eine endlose Serie von tödlichen Arbeitsunfällen in den Vereinigten Staaten. Anfang dieses Monats kam der 19-jährige Brayan Neftali Otoniel Canu Joj, ein kürzlich aus Guatemala eingewanderter Arbeiter, ums Leben, als er in einer Fabrik von Tina's Burritos in der Nähe von Los Angeles einen Fleischwolf reinigte. (Die Familie bittet die Öffentlichkeit um Spenden, um die Überführung seines Leichnams für die Beerdigung nach Guatemala zu finanzieren).

Die extreme Ausbeutung von Einwanderern, die durch die Androhung von Abschiebung oder Verschleppung in Gefangenenlager wie Trumps berüchtigtes „Alligator Alcatraz” zum Schweigen gebracht werden, hat zweifellos zu den Todesfällen beigetragen. Auch hier tragen die Gewerkschaftsbürokraten Verantwortung. In ihren eifrigen Bemühungen, die Verantwortung für die Folgen ihres eigenen Verrats auf einen Sündenbock abzuwälzen, unterstützen sie Trumps „America First”-Politik. Ein widerwärtiges aktuelles Beispiel ist die Forderung einer Baugewerkschaft nach der Durchführung einer Razzia der Einwanderungspolizei ICE in einer Halbleiterfabrik in Arizona.

Anfang dieser Woche gab die Gewerkschaft UAW-Ortsgruppe 1264 den Tod von Thomas Cornman bekannt, einem langjährigen Mitarbeiter der dritten Schicht im Stellantis-Werk Sterling Stamping Plant in einem Vorort von Detroit. Cornman erlitt Berichten zufolge schwere Kopfverletzungen, als er von einem Gabelstapler stürzte, und starb am 21. Juli nach mehr als zwei Wochen im Krankenhaus. Die Gewerkschaft bestätigte seinen Tod, erwähnte jedoch nicht, dass er am Arbeitsplatz geschah. Laut Aussagen von Arbeitern stimmt diese Auslassung mit der allgemeinen Politik des Gewerkschaftsapparats überein, unsichere Bedingungen im Werk zu verschleiern.

Cornmans Tod ist der dritte bekannte Todesfall in einem Stellantis-Werk in weniger als einem Jahr. Letzten August starb bereits Antonio Gaston im Toledo Assembly Complex beim Festziehen von Schrauben an der Fertigungsstraße und im April dann Ronald Adams. Die US-Arbeitsschutzbehörde OSHA verhängte im Fall von Gastons Tod lediglich eine Geldstrafe von nur 16.000 Dollar gegen Stellantis. Das Unternehmen hat Einspruch eingelegt.

Die Zahlen sind erschütternd. Im Jahr 2023 starben durchschnittlich alle 99 Minuten Arbeiter an den Folgen von Arbeitsunfällen, was einer jährlichen Gesamtzahl von 5.283 entspricht. Die Zahlen für 2024 und 2025 wurden von der Statistikbehörde Bureau of Labor Statistics nicht veröffentlicht, da die Regierung kein Interesse daran hat, die Zahl der Arbeiter zu erfassen, die vom Kapitalismus getötet werden. Dies steht in krassem Gegensatz zu der äußerst pünktlichen Veröffentlichung der monatlichen Zahlen zum BIP-Wachstum und anderer Wirtschaftsindizes, die für die amerikanische Wirtschaft von Nutzen sind.

All diese Arbeiter sind Opfer eines Kriegs gegen die Arbeiterklasse. Die Vereinigten Staaten, das reichste Land der Welt mit enormen technologischen Vorteilen, verfügen über ausreichende Mittel, um Todesfälle am Arbeitsplatz praktisch komplett auszuschließen. Die alleinige Ursache der Jahr für Jahr wiederkehrenden Massaker in den Fabriken ist das kapitalistische System. Es ist zu einer absoluten Hürde für den Fortschritt der Menschheit geworden.

Die herrschende Klasse betrachtet alle Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit der Arbeiter als unerträgliche Reduzierung des Mehrwerts. Diesen erachtet sie als besser investiert, wenn er dazu genutzt wird, den Aktienmarkt aufzublasen und kriminelle Kriege zur Verteidigung der Profite zu finanzieren. Das schrecklichste Beispiel dafür war, dass sich die herrschende Klasse weigerte, einfachste Maßnahmen zur Eindämmung des Virus während der Corona-Pandemie zu ergreifen. Diese hat in den USA eine Million Menschen getötet und dauert – entgegen der Lügen der Regierung und der Medien – immer noch an.

Alle Sicherheitsvorschriften, die letztlich Zugeständnisse sind, die sich die Arbeiter in Kämpfen über Generationen hinweg erkämpft haben, werden nun abgeschafft. Trumps Arbeitsministerin Lori Chavez-DeRemer hat in einem einzigen Schritt 63 Arbeitsvorschriften gestrichen. Die Gewerkschaftsbürokraten unterstützen sie, weil sie einen Gesetzentwurf befürwortet hat, der es ihnen erleichtert, ihre Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen zu vergrößern.

Der neue Leiter der Arbeitsschutzbehörde OSHA ist David Keeling, der als „Sicherheitsbeauftragter” bei Amazon und UPS für die dortigen menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen verantwortlich war. Aktuell würde es 186 Jahre dauern, bis die OSHA jeden Arbeitsplatz in Amerika einmal inspiziert hätte. Berücksichtigt man die Pläne, die Inspektionen in diesem Jahr um 30 Prozent zu reduzieren, würde es sogar 266 Jahre dauern.

Die Eisenbahnindustrie, in der Mega-Fusionen auf der Agenda stehen, um Preistreiberei und weitere Entlassungen zu ermöglichen, drängt auf eine enorme Lockerung bei den Anforderungen an die Gleisinspektion. Zudem verschärfen wissenschaftsfeindliche Quacksalber wie Robert F. Kennedy die Angriffe auf das Gesundheitswesen und die Medizin. Der US-Kongress hat für das Gesundheitsprogramm Medicaid Kürzungen in Höhe von mehr als 800 Milliarden Dollar beschlossen, was laut Experten jedes Jahr mehr als 18.000 Menschen das Leben kosten wird, weil ihnen der Zugang zur Gesundheitsversorgung verwehrt wird.

Die Demokraten sind nicht nur schweigsame Feiglinge, sondern voll und ganz an dieser Verschwörung beteiligt. Sie haben die kriminellen Geschäftspraktiken der Konzerne vertuscht, die zu Katastrophen wie der BP-Ölpest 2010 in der Amtszeit von Obama und der Zugentgleisung in East Palestine, Ohio, unter Biden Anfang 2023 geführt haben. Innerhalb des Zweiparteiensystems besteht die besondere Spezialität der Demokraten in der engen Zusammenarbeit mit der Gewerkschaftsbürokratie, um diese Bedingungen durchzusetzen.

Zwar ist die extreme soziale Ungleichheit in den USA mit besonders barbarischen Arbeitsbedingungen verbunden, doch sind Arbeiter überall auf der Welt mit unterschiedlichen Ausdrucksformen derselben grundlegenden Realität konfrontiert: der Diktatur der Kapitalistenklasse über die Produktionsmittel, die von korrupten Gewerkschaftsbürokratien durchgesetzt wird, die den Unternehmen und dem Staat dienen. Der Gewerkschaftsapparat unterstützt Nationalismus, um die Arbeiterklasse zu spalten, und bietet seine Dienste an, um das Land auf einen Weltkrieg vorzubereiten.

Das Sterben muss ein Ende haben! Die entscheidende Aufgabe der Arbeiter besteht darin, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Die Internationale Arbeiterallianz der Aktionskomitees ruft dazu auf, solche Aktionskomitees, die unabhängig von den Gewerkschaften sind und sich diesen entgegenstellen, in den Betrieben aufzubauen. In jedem Betrieb müssen Sicherheitskomitees gebildet werden, um dafür zu kämpfen, dass keine Arbeit ausgeführt werden darf, solange sie nicht sicher ist. Die Arbeiter müssen in Absprache mit vertrauenswürdigen Sicherheitsexperten, die sie selbst aussuchen, die volle Entscheidungsgewalt über die Festlegung von Sicherheitsstandards und den Stopp unsicherer Arbeitsabläufe durch kollektive Maßnahmen haben.

Um die Kontrolle des Profitsystems über alle Bereiche des Lebens zu brechen, muss die Arbeiterklasse für die Enteignung der Konzerne und deren Umwandlung in öffentliche Betriebe kämpfen, die sich im kollektiven Besitz der Arbeiterklasse befinden und von ihr demokratisch kontrolliert werden. Ein solcher Kampf kann nicht auf ein Land beschränkt bleiben, sondern muss international sein und Arbeiter über alle Grenzen hinweg in einem gemeinsamen Kampf gegen das Allerheiligste, die kapitalistischen „Eigentumsrechte“, vereinen.

Die Internationale Arbeiterallianz der Aktionskomitees (IWA-RFC) und das Internationale Komitee der Vierten Internationale kämpfen dafür, dieser Bewegung aufzubauen. Wir rufen alle Arbeiter, die Ausbeutung, Krieg und sozialem Mord ein Ende setzen wollen, dazu auf, sich diesem Kampf anzuschließen – für Arbeitermacht, für Internationalismus und für Sozialismus.

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