Französische Haushaltskrise entlarvt den Bankrott der Neuen Volksfront

Der französische Premierminister Sébastien Lecornu (links) und der Minister für die Beziehungen zum Parlament, Laurent Panifous, während einer Fragestunde der Regierung am 15. Oktober in der Nationalversammlung in Paris [AP Photo/Michel Euler]

Die Einsetzung einer zweiten Regierung unter Sébastien Lecornu durch den französischen Präsidenten Emmanuel Macron im Oktober und die hektischen Haushaltsverhandlungen in der Nationalversammlung haben die undemokratische Rolle von Jean-Luc Mélenchons Partei Neue Volksfront (NFP, Nouveau Front Populaire) offengelegt. Indem die NFP die Entwicklung des Klassenkampfs blockiert, hat sie Macron ermöglicht, weiterhin gegen die Bevölkerung zu regieren.

Die Verhandlungen dauern zwar noch an, aber die Grundzüge des Haushaltsplan 2026 sind bereits klar. Bisher hat die Nationalversammlung:

  • die Zucman-Steuer abgelehnt, die eine Abgabe von nur zwei Prozent auf die Vermögen der Superreichen vorgesehen hätte;
  • einen Militärhaushalt bewilligt, der mit 64 Milliarden Euro doppelt so hoch sein wird wie zu Macrons Amtsantritt. Der französische Generalstabschef Fabien Mandon prognostiziert derweil offen eine „schockierende“ militärische Konfrontation mit Russland innerhalb von vier Jahren und fordert immer höhere Militärausgaben;
  • vorgeschlagen, durch eine Nullrunde bei Renten und drakonische Sozialkürzungen zweistellige Milliardenbeträge von der Arbeiterklasse einzutreiben, u.a. durch eine Verdoppelung der Eigenbeteiligung im Gesundheitswesen und die Besteuerung von Ärzten, die zu weiteren Anstiegen der Arztgebühren führen könnte.

Zu Beginn des Herbstes demonstrierten eine Million Menschen, und eine breite Mehrheit der französischen Bevölkerung wollte Macrons Rücktritt und tiefgreifende politische Veränderungen. Lecornus und Macrons Agenda – die Weigerung, die Finanzaristokratie zu besteuern, die Forderungen nach einem Truppeneinsatz in der Ukraine und ein über die Rentenreform von 2023 hinausgehender Austeritätskurs – stoßen auf massenhafte Ablehnung. Wie kommt es also, dass Frankreich erneut eine Regierung bekommen hat, die genau diese Politik durchsetzen will?

Der parlamentarische Mechanismus dafür war die Parti Socialiste (PS), ein wichtiger Bestandteil der NFP, die für den Erhalt von Lecornus Minderheitsregierung gestimmt hat. Dass die PS dies tun konnte, verdankte sie jedoch Mélenchon. Als die PS bei den Präsidentschaftswahlen 2022 auf unter zwei Prozent abstürzte, rettete Mélenchon sie und ihre Verbündeten – die stalinistische KPF und die Grünen –, indem er ihnen ein Bündnis anbot, das zuerst NUPES und später NFP hieß und auch die Gewerkschaftsbürokratien umfasste. Statt die PS, eine diskreditierte Partei des französischen Imperialismus, zu zerstören, schützte Mélenchon sie.

Die acht Millionen Menschen, die 2022 für ihn gestimmt hatten, rief Mélenchon nicht zur Mobilisierung auf, sodass die Gewerkschaftsbürokratien die Streiks gegen Macron ungehindert abbremsen und schließlich beenden konnten. Mélenchon und die Führung seiner Partei Unbeugsames Frankreich (La France insoumise) haben damit den Klassenkampf in Frankreich abgewürgt, selbst als es in Italien, Spanien, Belgien und den USA zu Massenstreiks und Protesten gegen Austerität, Militarismus und den Völkermord in Gaza kam.

Die Ereignisse haben die politischen Lügen entlarvt, Mélenchon verteidige die Interessen der Bevölkerung oder führe eine „Bürgerrevolution“ an. 91 Prozent der französischen Bevölkerung lehnen Rentenkürzungen ab, und 89 Prozent der Westeuropäer sind gegen Macrons Forderung nach der Entsendung europäischer Truppen in die Ukraine, um gegen Russland zu kämpfen. Dennoch setzt die französische Bourgeoisie diese Politik ohne Rücksicht auf die öffentliche Meinung fort – dank der PS und der Gewerkschaftsführungen, die selbst von Mélenchons Unterstützung abhängig sind.

Die Nationalversammlung, die Mélenchon zum Zentrum seiner nationalen „Bürgerrevolution“ erklärt, fungiert als parlamentarische Diktatur der kapitalistischen Aristokratie gegen die Arbeiter. Angesichts der Tatsache, dass in vielen europäischen Staaten die Verschuldung auf über 100 Prozent des BIP steigt, verschärfen die herrschenden Kreise die Diskussionen über die Abschaffung der Reste des „französischen Sozialmodells“, das aus den Kämpfen der Arbeiter gegen die deutsche Nazi-Besatzung hervorging, und darüber, wie eine Diktatur errichtet werden kann.

Der Internationale Währungsfonds fasste diese Perspektive unverhohlen zusammen, indem er erklärte, eine „Diskussion über das Ausmaß und die Tragfähigkeit des europäischen Modells scheint unvermeidlich. ... Wenn sich Reformen und mittelfristige Konsolidierung als unzureichend erweisen, sind radikalere fiskalische Maßnahmen vorstellbar: eine Neubewertung des Umfangs des öffentlichen Dienstes und anderer staatlicher Funktionen. Dies könnte den Gesellschaftsvertrag unterhöhlen.“

Wenn die kapitalistische Aristokratie die Kündigung des Gesellschaftsvertrags plant, arbeitet sie auch an der Vorbereitung einer Diktatur, um den Widerstand der Arbeiterklasse zu unterdrücken, den dies hervorrufen wird. Das ist der Grund für die Legitimierung des Neofaschismus in ganz Europa, aber auch für den illegalen Einsatz von US-Truppen in amerikanischen Städten durch den faschistischen Präsidenten Donald Trump. Gruppierungen wie die NFP stellen auf diesem Weg zur Diktatur kein ernsthaftes Hindernis dar.

Mélenchon äußerte sich gegenüber Mediapart jedoch zufrieden über diese Situation und wies auf seine „Ergebnisse“ im Parlament hin. Er erwähnte, dass die Nationalversammlung während der Haushaltsverhandlungen eine Steuer auf transnationale Konzerne verabschiedet hat und erklärte:

„Das ist das zweite Mal, dass die Nationalversammlung zentrale Elemente von LFIs Gegenhaushalt verabschiedet hat, obwohl es im Parlament keine klaren Mehrheiten gibt. Wir beweisen, dass unsere Vision von Parlamentarismus eine konstruktive Realität ist: Letztes Jahr haben wir bereits mit der Steuer auf multinationale Konzerne 26 Milliarden Euro gesichert... Doch wird Lecornu die Abstimmung zur Besteuerung transnationaler Konzerne respektieren?“

Mélenchons Selbstzufriedenheit ist eklatant. Seine letzte Frage unterstreicht den begrenzten Wert seiner parlamentarischen „Erfolge“ und ignoriert gleichzeitig die Auswirkungen des Haushalts auf die Arbeiter. Durch den Haushaltsplan droht nicht nur eine militärische Eskalation – einschließlich eines offenen Konflikts mit Russland – sondern auch die Verarmung der Arbeiter. Mélenchon spekulierte im weiteren Verlauf über ein Bündnis der LFI mit den Rechten, um eine Sechste Republik auszurufen und Macron zu stürzen:

„Wir schlagen die Lösung des Chaos vor durch die Forderung nach seinem Rücktritt und unserem Angebot einer Sechsten Republik. Selbst auf der Rechten gibt es vernünftige Leute, die davon reden. ... Macron muss schnell aus dem Weg geräumt werden, weil er alles zerstören und Chaos anrichten wird. Alle sehen, dass er nur für die Ultrareichen handelt. Es wäre besser, wenn der Republikwechsel in bürgerlichem Frieden und durch einen demokratischen Prozess stattfände.“

Mélenchon verteidigt nicht die Bevölkerung. Er will den „bürgerlichen Frieden“ gewährleisten, d.h. den Klassenkampf blockieren, Macron gegen den Willen der Bevölkerung an der Macht halten und entscheidende Elemente von dessen Politik übernehmen, denen die NFP zustimmt. Tatsächlich hatte die NFP letztes Jahr in ihrem Wahlprogramm vorgeschlagen, die Polizei und die Geheimdienste zu stärken und französische Soldaten, getarnt als „Friedenstruppen“, in die Ukraine zu schicken. Dieser Pakt wurde nicht nur von der PS und den Gewerkschaftsführungen entworfen, sondern auch von den kleinbürgerlichen Populisten der LFI.

Angesichts der zunehmenden Streiks in ganz Europa und der „No Kings“-Proteste, die Trumps Regierung erschüttern, ist es Zeit, die Lehren aus der jüngsten politischen Erfahrung in Frankreich zu ziehen. Appelle zur Verteidigung der Demokratie durch den parlamentarischen und gewerkschaftlichen Apparat des kapitalistischen Staats sind gescheitert. Die Verteidigung der Demokratie erfordert – wie Marxisten immer erklärt haben – die Mobilisierung der Arbeiterklasse im Kampf für Arbeitermacht und Sozialismus.

Zu diesem Zweck müssen die Arbeiter Kampforganisationen aufbauen, unabhängig vom dem mit der NFP verbundenen Gewerkschaftsapparat. Die sozialen Errungenschaften, die Macron ins Visier nimmt, wurden durch den Widerstandskampf von Fabrikkomitees und Arbeitermilizen wie der FTP gegen das Vichy-Regime und die Nazis errungen. Natürlich ist Frankreich, im Gegensatz zu den 1940ern, heute nicht militärisch besetzt, doch nur der Aufbau eines neuen Netzwerks aus Arbeiterorganisationen, unabhängig von der Gewerkschaftsbürokratie, kann das politische Hindernis überwinden, das die NFP für die Arbeiterklasse darstellt.

Um den Kampf zum Aufbau derartiger Organisationen zu beginnen, braucht die Arbeiterklasse eine revolutionäre trotzkistische Führung, die dem Opportunismus und der Feigheit der NFP mit unversöhnlicher Feindseligkeit gegenübersteht. Diese Führung ist die Parti de l’égalité socialiste, die französische Sektion des Internationalen Komitees der Vierten Internationale. Sie ruft die Arbeiter in Frankreich auf, sich am Aufbau der Internationalen Arbeiterallianz der Aktionskomitees zu beteiligen und appelliert an alle Unterstützer dieser Perspektive, sich ihr anzuschließen.

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