Zum Tod von David Neita

5. Januar 1948 - 30. Oktober 2025

Dave Neita spricht bei der Regionalkonferenz der Trade Union Alliance for a Labor Party (TUALP) in New York am 4. April 1975

David Neita spielte in den 1970er Jahren eine führende Rolle in der Workers League, der Vorgängerorganisation der Socialist Equality Party. Er starb am 30. Oktober im Alter von 77 Jahren in Los Angeles. Seit den 1980er Jahren lebte er mit der Diagnose Multiple Sklerose. In den letzten Jahren hatte sich sein Gesundheitszustand drastisch verschlechtert.

Dave wurde 1948 im New Yorker Stadtteil Brooklyn geboren und war ein bemerkenswerter Vertreter einer Generation von jungen Schwarzen, deren politische Entwicklung sich inmitten der aufgeladenen Bürgerrechtskämpfe der 1960er Jahre und des Vietnamkriegs vollzog. Aus beiden Ereignissen zog er Schlüsse, die ihn dazu brachten, im Herbst 1970 der trotzkistischen Bewegung beizutreten.

Dave respektierte zwar die Integrität Martin Luther Kings, glaubte aber nicht daran, dass das reformistische Programm des Bürgerrechtlers eine realistische - geschweige denn angemessene - Antwort auf die Krise der amerikanischen Gesellschaft darstellte. Und obwohl er an Kundgebungen von Malcolm X in Harlem und im Viertel Bedford-Stuyvesant von Brooklyn teilnahm und dessen Eloquenz respektierte, stimmte er dem nationalistischen Programm und der Perspektive der Black Muslim-Bewegung nicht zu.

1967 wurde Dave in die Army eingezogen und nach Vietnam geschickt. Die verheerenden Erfahrungen, die er in diesem Krieg sammelte, hatten physische, emotionale und politische Auswirkungen.

Kurz nach seiner Ankunft in Vietnam erlebte Dave, wie ein Offizier der südvietnamesischen Marionettenarmee einen gefangenen Vietcong verhörte. Der Gefangene weigerte sich, Informationen preiszugeben. Als der Offizier dem jungen Kämpfer eine Pistole an den Kopf hielt und drohte ihn zu erschießen, spuckte ihm der Gefangene ins Gesicht. Nur das Einschreiten von Dave und anderen Soldaten hinderte den sadistischen Offizier daran, den Kämpfer zu ermorden. Von da an empfand Dave große Empathie für den Kampf der vietnamesischen Bevölkerung gegen den Imperialismus und glaubte, dass die USA einen reaktionären und sinnlosen Krieg führten.

Im Januar 1968 wurde Daves Bataillon in der Stadt Hue stationiert, wo sich die erbittertsten Kämpfe der Tet-Offensive der nordvietnamesischen Armee abspielten. Daves Bataillon blieb anfangs in den Außenbezirken der Stadt, während die Marines als Speerspitze der Versuche der USA dienten, die Kontrolle über Hue zurückzuerlangen.

Später erinnerte sich Dave mit Grauen daran, wie Hunderte von toten und verwundeten Marines aus dem Kriegsgebiet evakuiert wurden. Daraufhin wurde Daves Bataillon in die Stadt geschickt. Auf halbem Weg über die Brücke wurde Daves engster Freund, der nur knapp vor ihm lief, von Maschinengewehrfeuer getroffen. Dave schaffte es, seinen Kameraden hochzuheben und trug ihn zu einem Evakuierungshubschrauber. Als Dave später an den Vorfall zurückdachte, nahm er an, sein Freund sei getötet worden. Doch 1977 erhielt er zu seinem großen Erstaunen einen Brief des Soldaten, der erfolgreich operiert worden war und überlebt hatte. Er hatte jahrelang versucht, Dave zu finden, um sich für die Rettung seines Lebens zu bedanken.

Dave wurde zwar nicht im Kampf verwundet, doch seine Gesundheit wurde trotzdem durch den Krieg beeinträchtigt. Wie so viele US-Soldaten wurde er dem Entlaubungsgift Agent Orange ausgesetzt, das möglicherweise sein Immunsystem schädigte und zu seiner Erkrankung an Multipler Sklerose führte.

Kurz nach seiner Rückkehr aus Vietnam kam Dave in Kontakt mit der Workers League (WL). Seine Entscheidung, der WL beizutreten, wurde stark beeinflusst von der Lektüre eines Flugblatts mit dem Titel „Schwarzer Nationalismus und marxistische Theorie“, das der damalige Nationale Sekretär der Workers League, Tim Wohlforth, verfasst hatte. Die Schrift bezog sich auf den wichtigen Einfluss der Socialist Labour League, der britischen Sektion des Internationalen Komitees der Vierten Internationale, auf die Workers League. Während Dave bereits zuvor nationalistische Politik abgelehnt hatte, lieferte ihm die Workers League jetzt ein theoretisches Verständnis der Rolle der internationalen Arbeiterklasse im Kampf für Sozialismus.

Dave Neita bei einer Veranstaltung in New York City 1973. Links von ihm sitzen Fred Mazelis und Dennis O'Casey.

Als die Workers League 1973 eine Druckerpresse erwarb, wurde Dave zum ersten Drucker bestimmt. Obwohl er keine formelle Ausbildung hatte, entwickelte er die notwendigen Kenntnisse, um die Presse zu betreiben und das Bulletin zu veröffentlichen, die seit Oktober dieses Jahres zweiwöchentlich erscheinende Zeitung der WL.

Nach Wohlforths Ausscheiden aus der Workers League spielte Dave eine wichtige Rolle dabei, die politische und organisatorische Krise zu überwinden, die Wohlforth und seine Gefährtin, die Provokateurin Nancy Fields, durch ihre destruktiven Praktiken geschaffen hatten.

Doch Ende der 1970er Jahre begann für Dave eine Periode zunehmender persönlicher und politischer Krisen. Die rechte politische Atmosphäre dieser Jahre wirkte sich auf ihn aus. Eine immer deutlichere Skepsis über die Aussichten einer Revolution in den Vereinigten Staaten begann, seine allgemein optimistische Perspektive zu trüben. Zweifellos war der Rückzug der britischen Workers Revolutionary Party (WRP) von den trotzkistischen Prinzipien, die sie so lange gegen Stalinismus und pablistischen Revisionismus verteidigt hatte, ein wichtiger Faktor in seiner zunehmenden Desorientierung. Dave hatte großen Respekt vor den Führern der WRP, besonders vor Gerry Healy und Mike Banda.

Doch ihre Glorifizierung der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) verwirrte und desorientierte ihn. Dass die WRP bürgerlichen Nationalismus und dessen „bewaffneten Kampf“ gegen den Imperialismus unterstützte, untergrub Daves Vertrauen in eine Perspektive auf der Grundlage der zentralen revolutionären Rolle der Arbeiterklasse in den USA und den anderen imperialistischen Ländern.

Daves politische Schwierigkeiten wurden sicherlich auch durch die Verschlechterung seines Gesundheitszustandes begünstigt. Die ersten Symptome dessen, was später als Multiple Sklerose diagnostiziert wurde, manifestierten sich. Der physisch beeindruckende, mehr als 1,80m große Mann begann, wurde immer wieder durch Episoden von Schmerzen und Schwäche heimgesucht, für die ihm die Ärzte keine eindeutige Erklärung liefern konnten. Bis Ende 1978 zeigten sich auch Anzeichen für eine Depression. Zu der Zeit wurde die Krankheit, die später als posttraumatische Belastungsstörung (PTSD) bekannt werden sollte, noch kaum verstanden, dieser Begriff wurde erst im kommenden Jahrzehnt allgemein bekannt. Viele Veteranen litten erst Jahre nach ihrer Rückkehr aus Vietnam unter den Anzeichen von psychologischer Belastung, was später als verzögert auftretende PTSD bekannt wurde.

Im Januar 1979 trat Dave aus der Workers League aus.

Doch nie wies Dave die Prinzipien und das Programm, die er als Mitglied verteidigt hatte, zurück. 1986, nach der Spaltung im Internationalen Komitee, kontaktierte er die Workers League und erklärte, er unterstütze ihren Kampf gegen den Verrat der WRP am Trotzkismus. Im Oktober 1997 reiste er nach Detroit zu einer Veranstaltung der SEP anlässlich des zwanzigsten Jahrestags der Ermordung von Tom Henehan, den Dave gekannt und geschätzt hatte.

Anfang dieses Jahres kontaktierte Dave mich und erklärte sehr nachdrücklich seine Empörung und seinen Abscheu über den infamen Angriff auf Gerry Healy in der betrügerischen Biografie des antitrotzkistischen Historikers Aidan Beatty. Dave verstand und befürwortete den Kampf, den das IKVI in den 1980er Jahren gegen die WRP geführt hatte, betrachtete Healy jedoch weiterhin als großen Führer der Arbeiterklasse, der in seinen besten Jahren einen immensen Beitrag zum Aufbau der trotzkistischen Bewegung geleistet hatte.

Wir telefonierten mehrfach, und Dave äußerte die Hoffnung, der ich zustimmte, dass wir eine Chance haben könnten, uns noch einmal zu treffen. Leider ergab sich diese Gelegenheit nicht.

Seit David Neita Mitglied der Workers League war, sind zwar viele Jahrzehnte vergangen, doch sein Beitrag zur Partei in ihren prägenden Jahren sollte nicht in Vergessenheit geraten.

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