„Ein Gespenst geht um in Europa – das Gespenst des Kommunismus.“ So beginnt das Kommunistische Manifest, das Karl Marx und Friedrich Engels Ende 1847 verfassten und Anfang 1848 veröffentlichten. Fast 180 Jahre später geht dasselbe Gespenst erneut um – nicht nur in Europa, sondern auf der ganzen Welt.
Das ist die wesentliche Bedeutung der Erklärung des Weißen Hauses, die die Trump-Regierung am 7. November, dem Jahrestag der sozialistischen Revolution von 1917 in Russland, veröffentlicht hat. Darin wird die Woche vom 2. bis 8. November zur „Woche des Antikommunismus“ in Amerika erklärt. Das Dokument stellt den Sozialismus als Bedrohung für „Glauben, Freiheit und Wohlstand“ dar und warnt vor „neuen Stimmen“, die angeblich „alte Lügen“ wiederholen.
Die Erklärung beginnt mit der haltlosen Behauptung, dass der „Kommunismus“ mehr als 100 Millionen Menschen auf dem Gewissen habe. Für diese Toten seien Regime verantwortlich, „die den Glauben auslöschen, die Freiheit unterdrücken und den durch harte Arbeit erworbenen Wohlstand zerstören wollten“. Diese Zahl, die von rechten Ideologen endlos wiederholt wird, stammt aus dem 1997 erschienenen Schwarzbuch des Kommunismus. In diesem Machwerk werden alle gewaltsamen Ereignisse des 20. Jahrhunderts – von Bürgerkriegen über Hungersnöte bis hin zu stalinistischen Säuberungen, die sich gegen Arbeiter und Intellektuelle richteten und in Zusammenarbeit mit dem Imperialismus durchgeführt wurden – zu einer einzigen Opferzahl zusammengefasst, für die der „Kommunismus“ verantwortlich sei.
In dem Papier des Weißen Hauses heißt es weiter: „Der Kommunismus hat seit mehr als einem Jahrhundert nichts als Verderben gebracht.“ Nirgendwo wird auf die Verbrechen des Kapitalismus und des amerikanischen Imperialismus Bezug genommen: den Ersten Weltkrieg (22 Millionen Tote); den Zweiten Weltkrieg, einschließlich des Holocausts und der Abwürfe von Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki (85 Millionen Tote); der Koreakrieg (bis zu 3 Millionen Tote); der Vietnamkrieg (bis zu 3 Millionen Vietnamesen, plus 370.000 weitere in Kambodscha und Laos); das Massaker in Indonesien 1965–66 (mindestens 1 Million Tote) und unzählige weitere Verbrechen.
Das Weiße Haus verweist insbesondere auf „die 34 Jahre seit dem Ende des Kalten Krieges“. Auf die Auflösung der Sowjetunion durch die stalinistische Bürokratie folgte eine endlose Eskalation imperialistischer Barbarei – vom Irak bis Afghanistan, von der Bombardierung Jugoslawiens bis zu den Invasionen in Libyen und Syrien und nun dem Krieg der USA und der Nato gegen Russland in der Ukraine und dem von den Imperialisten unterstützten Völkermord des israelischen Regimes in Gaza. Der Imperialismus hat die Menschheit erneut an den Rand eines Weltkriegs gebracht, wie Trumps Kriegsminister Pete Hegseth letzte Woche selbst erklärte: „Das ist ein 1939-Moment.“
Abgesehen von der offensichtlichen Lüge springt vor allem die blanke Heuchelei der Erklärung ins Auge. Das Weiße Haus behauptet, „kommunistische Regime“ hätten „die von Gott gegebenen Rechte und die Würde derer, die sie unterdrücken“, verletzt. Die Regierung verspricht, „entschlossen gegen den Kommunismus zu kämpfen, um die Sache der Freiheit und der Menschenwürde zu verteidigen“. Der Kommunismus würde „abweichende Meinungen unterdrücken, Überzeugungen bestrafen und verlangen, dass Generationen vor der Macht des Staates knien“.
Diese Zeilen stammen von einer Regierung, die dabei ist, Millionen von Amerikanern Lebensmittelmarken zu entziehen, die Bundestruppen in amerikanischen Städten einsetzt, deren Einwanderungsbehörde ICE Arbeiter und Jugendliche in Razzien verhaften und verschwinden lässt und die an der Spitze einer Verschwörung steht, um demokratische Herrschaftsformen abzuschaffen und eine Präsidialdiktatur zu errichten.
In einer Gesellschaft, in der täglich Arbeiter bei vermeidbaren Arbeitsunfällen ums Leben kommen und das reichste Prozent mehr Vermögen hat als die unteren 90 Prozent, ist die Behauptung, „Freiheit“ und „durch harte Arbeit erworbenen Wohlstand“ zu verteidigen, eine Beleidigung für den Verstand und die Lebenserfahrung der breiten Bevölkerung. Trumps „Freiheit“ ist die Freiheit der Oligarchie, die Gesellschaft auszuplündern, den Planeten zu zerstören und ungestraft zu morden.
Hinter all den Lügen und historischen Fälschungen verbirgt sich die Angst der herrschenden Klasse vor der wachsenden Opposition gegen den Kapitalismus. Der unmittelbare politische Hintergrund für die Erklärung des Weißen Hauses ist die Bürgermeisterwahl in New York, bei der über eine Million Menschen für Zohran Mamdani gestimmt haben, einen selbsternannten „demokratischen Sozialisten“. Die „Antikommunismus-Woche“ wurde rückdatiert, um den Tag der Wahl, den 4. November, einzubeziehen, und sie warnt düster vor denen, die „sich mit den Begriffen ‚soziale Gerechtigkeit‘ und ‚demokratischer Sozialismus‘ tarnen“.
Einen Tag nach der Erklärung des Weißen Hauses veröffentlichte die Redaktion der Washington Post, die dem milliardenschweren Amazon-Gründer Jeff Bezos gehört, eine aggressive Attacke auf den von ihr als „Generalissimus Mamdani“ bezeichneten designierten New Yorker Bürgermeister. Die Post prangert ihn an, er würde „Klassenfeinde identifizieren … und sie dann vernichten“.
Die Oligarchen reagieren hysterisch auf die Wahl des gemäßigten Sozialdemokraten Mamdani, der sich seit der Wahl beeilt hat, sie zu beruhigen.
In dem berühmten Roman Moby Dick bezeichnete der Kapitän Ahab den weißen Pottwal als „Maske aus Pappe“, hinter der sich eine „unergründliche Bosheit“ verberge. „Dieses Unergründliche ist es, was ich vor allem hasse; und sei der weiße Wal nun Werkzeug oder Hauptschuldiger, ich werde meinen Hass an ihm auslassen.“ Was die herrschende Klasse fürchtet, ist nicht Mamdani, der kein großer Wal ist, sondern die Veränderungen im Bewusstsein, die seinem rasanten Aufstieg zugrunde liegen – das Gespenst der Revolution und der Enteignung.
Ihre Hysterie rührt daher, dass der Widerstand gegen den Kapitalismus international rapide zunimmt und sich in verschiedenen Formen äußert – den „No Kings“-Massendemonstrationen am 18. Oktober, der überwältigenden Ablehnung des israelischen Völkermords in Gaza und den „Gen Z“-Protesten in Afrika. Umfragen zeigen, dass 67 Prozent der jungen Menschen in den USA eine positive oder neutrale Einstellung zum Sozialismus haben, während sich nur 40 Prozent für Kapitalismus aussprechen.
Kürzlich tauchte eine E-Mail des faschistischen Tech-Unternehmers Peter Thiel auf, der seine Milliardärsfreunde in seinen Reden vor dem Kommen des Antichristen warnt. In der E-Mail schreibt er: „Wenn ihr die jungen Menschen proletarisiert, solltet ihr euch nicht wundern, wenn sie irgendwann Kommunisten werden.“
Aber das ist die Logik des Kapitalismus und der Herrschaft der Oligarchie. Die Kluft zwischen den Superreichen und der großen Mehrheit der Bevölkerung ist gigantisch. Die Tesla-Aktionäre haben Elon Musk gerade ein Gehaltspaket in Höhe von 1 Billion Dollar versprochen – das entspricht 50 Millionen Dollar pro Stunde –, während die Arbeiter in den Tesla-Werken mit 18 Dollar pro Stunde beginnen und unter extremer Arbeitshetze, Entlassungen und Lohndrückung leiden. In den letzten zehn Jahren hat sich das Gesamtvermögen der zehn reichsten Amerikaner versechsfacht, während Millionen Menschen mit Entlassungen, Hunger und erdrückenden Schulden konfrontiert sind.
Die Oligarchen sind außer Rand und Band. Sie haben Angst vor Sozialismus, weil sie verstehen, dass eine echte sozialistische Bewegung in der Arbeiterklasse die größte Bedrohung für ihren Reichtum und ihre Macht darstellt.
Für die herrschende Klasse sind die wahren „Verbrechen des Kommunismus“ nicht die Taten der stalinistischen Regime, sondern das Erbe der Russischen Revolution von 1917 selbst. Es war die Oktoberrevolution, die zum ersten Mal in der Geschichte demonstrierte, dass die Arbeiterklasse die Macht übernehmen kann. Alle bedeutenden Errungenschaften der Arbeiter im 20. Jahrhundert wurden durch Massenkämpfe erreicht, die von der Russischen Revolution inspiriert waren. Dieses Erbe will die herrschende Klasse zerstören – durch Sparmaßnahmen, Krieg, Diktatur und politische Unterdrückung.
Die Entwicklungen, die sich gerade in den Vereinigten Staaten und weltweit zeigen, diskreditieren die Politik, die jahrzehntelang als „links“ verkauft wurde – die Politik der oberen Mittelschicht, die sich auf Fragen von Rasse und Geschlecht konzentriert, und der aussichtslose Reformismus der Democratic Socialists of America, von Bernie Sanders, Alexandria Ocasio-Cortez und jetzt Zohran Mamdani – eine Politik kosmetischer Änderungen an einem historisch bankrotten sozialen und wirtschaftlichen System.
Erforderlich ist der Aufbau einer revolutionären Führung in der Arbeiterklasse, die im marxistischen Programm des Trotzkismus verwurzelt ist. Die Socialist Equality Party in den USA und ihre deutsche Schwesterpartei Sozialistische Gleichheitspartei treten dafür ein, Arbeiter und Jugendliche weltweit im Kampf für Sozialismus zu vereinen – für die Enteignung der Oligarchen, die Machteroberung der Arbeiterklasse und die demokratische Neuordnung der Wirtschaft, um den Bedürfnissen der Menschen zu dienen, nicht dem privaten Profit.
