Bundesregierung bereitet massive Einschnitte in der Gesundheitsversorgung vor

Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) [Photo: Polish presidency of the Council of the EU 2025, Public domain, via Wikimedia Commons]

Unmittelbar nachdem sich die Spitzen der Regierungskoalition von CDU und SPD in der Haushaltsdebatte erneut darauf verständigt haben, den Sozialstaat zu „reformieren“, und Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) ausdrücklich erklärte, der Sozialstaat sei „nicht mehr finanzierbar“, bereitet die Bundesregierung eine grundlegende Einschränkung der Gesundheitsversorgung vor.

Am 25. September nahm die „FinanzKommission Gesundheit“, bestehend aus zehn sogenannten Experten, ihre Arbeit auf. Sie soll Vorschläge erarbeiten, wie die staatlichen Ausgaben für die Gesundheitsversorgung drastisch reduziert werden können.

Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) machte deutlich, dass es dabei nicht nur um altbekannte Kürzungen geht, wie sie seit Jahrzehnten betrieben werden und stets zulasten von Patienten und Beschäftigten gehen.

Bei der Vorstellung der Kommission erklärte sie ausdrücklich, es werde „keine Denkverbote“ geben, und sprach offen von „Leistungskürzungen“. Die Finanzlage der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sei „eine historische Herausforderung“, weshalb „tiefgreifende Reformen“ unausweichlich seien.

Die von SPD- und Unionspolitikern vorgeschlagenen Maßnahmen zielen darauf ab, eine umfassende Versorgung nur noch denjenigen zugänglich zu machen, die sie sich leisten können.

Jens Spahn, Fraktionsvorsitzender der Union, fordert kurzfristige Sozialkürzungen, um zusätzliche Bundesmittel zu vermeiden. Zynisch verlangt er „mehr Eigenverantwortung“ von gesetzlich Versicherten. Auch CDU-Mitglieder wie Tino Sorge und Hendrik Streeck brachten Kürzungsideen ins Gespräch.

Sorge, Wirtschaftsanwalt und Parlamentarischer Staatssekretär im Gesundheitsministerium, schlägt einen Grundtarif vor, der nur noch notwendigste Leistungen abdeckt; alles darüber hinaus müssten die Versicherten selbst zahlen. Streeck fordert eine Selbstbeteiligung bei „Bagatellbesuchen“ beim Arzt – Deutsche würden seiner Ansicht nach zu häufig ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen. Man müsse sich, so Streeck, von der unsolidarischen „Vollkasko-Mentalität“ verabschieden: Gesundheit sei keine „All-inclusive-Dienstleistung des Staates“. Bereits während der Corona-Pandemie gehörte Streeck mit seiner Forderung nach Durchseuchung zu den aggressivsten Vertretern der „Profite vor Leben“-Politik, die schließlich von allen Parteien durchgesetzt wurde.

Der Spitzenverband der GKV fordert ein Ausgabenmoratorium, das die Ausgaben an die Einnahmen koppelt. Andreas Gassen, Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, warnt jedoch, dies könne zu einer „Versorgung nach Kassenlage“ führen, bei der notwendige Leistungen nicht mehr finanziert würden – „der Anfang vom Ende des Solidaritätsgedankens“.

Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA), sprach sich für eine Kontaktgebühr bei jedem Arztbesuch und „mehr Wettbewerb“ im Gesundheitssystem aus.

Ähnliche Vorschläge sind auch von der Kommission zu erwarten. Zu ihren bekanntesten Mitgliedern zählen Prof. Dr. Jonas Schreyögg, Prof. Dr. Wolfgang Greiner und Prof. Dr. med. Ferdinand Gerlach.

Schreyögg, Professor für Gesundheitsmanagement in Hamburg, war Mitautor der umstrittenen Bertelsmann-Studie „Zukunftsfähige Krankenhausversorgung“, die 2019 eine Reduzierung der Kliniken auf maximal 600 forderte – zur „Kostensenkung und Qualitätssteigerung“. Begründet wurde das u.a. mit dem widerlegten Argument, zu viele Kliniken verschärften den Fachkräftemangel.

Greiner, Gesundheitsökonom an der Uni Bielefeld, fordert eine Verdopplung der Zuzahlungen für Medikamente – diese seien seit Jahren nicht angepasst worden. Heute müssen gesetzlich Versicherte zehn Prozent des Medikamentenpreises zahlen (mindestens fünf, maximal zehn Euro). Langfristig müsse zudem die Zahl der Arzt-Patienten-Kontakte reduziert werden.

Gerlach, Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin in Frankfurt/Main, setzt sich für ein verpflichtendes Primärarztsystem ein: Versicherte sollen erst den Hausarzt aufsuchen, bevor sie einen Facharzttermin bekommen. Unter den Bedingungen von Ärztemangel und Budgetdruck droht damit, dass notwendige Behandlungen verzögert oder verhindert werden.

Diesen Vorschlag bekräftigte Warken im ZDF-Morgenmagazin. CDU-Fraktionsvize Albert Stegemann forderte sogar eine Strafzahlung von 200 Euro für eigenständig gebuchte Facharzttermine, und CSU-Politiker Stephan Pilsinger will, dass Patienten diese komplett selbst zahlen müssen, wenn keine Überweisung vorliegt.

Solche Forderungen kommen mittlerweile aus allen etablierten Parteien. Janosch Dahmen (Grüne) machte die „aus dem Ruder laufenden Ausgaben“ für Kliniken und Medikamente für die Probleme verantwortlich und forderte entsprechende Kürzungen.

Dabei berufen sich alle Parteien auf das steigende Defizit der GKV, das 2024 bei rund 6,2 Milliarden Euro lag und in diesem Jahr weiter steigen dürfte. Ab 2027, so Warken, könne es sogar in den zweistelligen Milliardenbereich rutschen.

Doch dieses Defizit ist vor allem auf stagnierende Löhne, das Zwei-Klassen-System in der Krankenversicherung und die von allen Parteien unterstützten Marktmechanismen im Gesundheitswesen zurückzuführen. Im Vergleich zu den Rüstungsausgaben ist die Summe zudem gering: Diese lagen 2024 bei 78 Milliarden Euro und sollen 2025 noch deutlich steigen.

Die geplanten Einsparungen dienen dazu, diesen Rüstungskurs zu finanzieren. Der Haushaltsentwurf des Gesundheitsministeriums sieht z.B. Einschnitte bei Prävention und Gesundheitsverbänden von rund 238 Millionen Euro vor.

Bereits im Oktober 2023 hatte die Ampelregierung mit Gesundheitsminister Lauterbach die sogenannte Krankenhausreform beschlossen – mit dem Ziel flächendeckender Klinikschließungen und einer profitoptimierten Krankenhauslandschaft.

Die freiwerdenden Gelder werden direkt in den Militärhaushalt umgeleitet. Mit Unterstützung der Linkspartei im Bundesrat wurden Anfang 2025 eine Billion Euro für die Aufrüstung beschlossen. Bereits 2022 hatte die Ampel ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro verabschiedet. Bis 2029 sollen laut Plan 3,5 Prozent des BIP für Krieg und Aufrüstung ausgegeben werden und bis 2035 sogar fünf Prozent – das wären etwa 220 Milliarden Euro, also 130 Milliarden mehr als der heutige Verteidigungshaushalt.

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