Kurz nachdem die IG Metall und ihr Betriebsrat den Abbau fast jeder zweiten Stelle bei Thyssenkrupp Steel Europe (TKSE) durchgesetzt haben, legte der indische Konzern Jindal International Steel ein Kaufangebot vor. Die gewerkschaftlichen Apparate haben dies sofort begrüßt. Es geht ihnen dabei nicht um die langfristige Sicherung der Arbeitsplätze, wie sie behaupten, sondern einzig und allein um ihre eigenen Pfründe.
Das Angebot kommt nicht direkt vom börsennotierten Jindal Steel Konzern, sondern von der auf Mauritius ansässigen nicht börsengelisteten Holding Jindal Steel International. Das Handelsblatt schreibt: „Diese Gesellschaft ist in mehreren Ländern aktiv, ihre finanzielle Ausstattung aber schwer nachvollziehbar.“
Jindal hatte in einer Mitteilung mit großen Versprechen für Duisburg – dem größten TKSE-Standort – geworben. So soll die Direktreduktionsanlage in Duisburg fertiggestellt werden. Zusätzlich sollen 2 Milliarden Euro in Elektrolichtbogenöfen investiert werden. „Aus Oman könnten grüne Eisenschwamm-Pellets nach Duisburg geliefert werden, um die zu errichtenden Elektrolichtbogenöfen zu speisen“, erklärte begeistert Jürgen Kerner, Zweiter Vorsitzender der IG Metall und stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Thyssenkrupp AG.
Das Unternehmen von Naveen Jindal produzierte im vergangenen Jahr laut Weltstahlverband 8,1 Millionen Tonnen Stahl, erzielte rund 4,8 Milliarden Euro Umsatz und eine Profitmarge von 19 Prozent – deutlich profitabler als Thyssenkrupp Steel Europe. Thyssenkrupp erreichte mit 10,3 Millionen Tonnen Stahl einen Umsatz von 10,7 Milliarden Euro bei weniger als 3 Prozent Marge.
Berichten zufolge will Jindal zunächst 60 Prozent, später TKSE ganz übernehmen. Der tschechische Milliardär Daniel Křetínský, der 20 Prozent am Konzern hält und auf 50 Prozent aufstocken wollte, hat sich noch nicht zum Jindal-Angebot geäußert. Der Wert der Stahlsparte von Thyssenkrupp wird auf 1,2 Milliarden Euro taxiert, zuletzt betrugen jedoch die Pensionsverpflichtungen 2,5 Milliarden Euro, die Jindal ebenso wie Křetínský nicht ohne Gegenleistung übernehmen werden. Es wird daher davon ausgegangen, dass der Mutterkonzern Thyssenkrupp AG draufzahlt, um die Stahlsparte abzustoßen.
Die Übernahme der Stahlsparte von Thyssenkrupp ist Teil der Expansionsstrategie des indischen Milliardärs, der seit letztem Jahr auch für die hindu-rassistische Regierungspartei BJP (Bharatiya Janata Party) des indischen Premierminister Narendra Modi im Parlament sitzt.
Im vergangenen Jahr erwarb Jindal Steel International 100 Prozent der Anteile an Vitkovice Steel in der Tschechischen Republik. Anfang dieses Jahres scheiterte ein Kauf des italienischen Stahlherstellers Acciaierie d'Italia. Jindal betreibt neben seinen Werken in Indien auch Minen und Fabriken im Nahen Osten (v. a. Oman), in Australien und in Afrika. Der Konzern unterhält aber auch enge Geschäftsbeziehungen zu Russland. Jindal kauft dort Kokskohle und exportiert Stahl dorthin. Die Bundesregierung, die die treibende Kraft hinter der Eskalation des Kriegs gegen Russland ist, wird sich daher noch in die Verhandlungen einschalten. Thema wird dann auch die fast 3 Milliarden Euro hohe Förderung grünen Stahls von Bund und Land NRW, von denen schon rund eine Milliarde Euro geflossen ist.
Jindal Steel hatte schon vor mehreren Jahren sein Kaufinteresse an TKSE bekundet. Die Gespräche sollen aber spätestens 2023 aufgrund von Differenzen über Preis, Einflussrechte und Standortgarantien gescheitert sein. Offensichtlich hat Naveen Jindal seine Offerte nun besser vorbereitet. Er soll mehrmals persönlich im Ruhrgebiet gewesen sein, zuletzt vor wenigen Tagen, um sein Angebot vorzulegen. An die IGM-Funktionäre in Aufsichts- und Betriebsrat soll er persönliche Briefe geschrieben haben. Weil er darin die Weiterführung der deutschen „Mitbestimmung“ zugesichert habe, sicherten die Gewerkschaftsbürokraten dem Milliardär sofort ihre Hilfe zu.
Am gleichen Tag als Jindal sein Übernahmeangebot öffentlich bekannt gab, hat die IG Metall eine Pressemitteilung herausgebracht, in der IGM-Vize Kerner erklärte: „Die Arbeitnehmerseite ist bereit, sich konstruktiv an dem Prozess zu beteiligen.“ Auch der Gesamtbetriebsratsvorsitzende der Muttergesellschaft Thyssenkrupp AG, Tekin Nasikoll, sah in dem Kaufangebot ein „positives Zeichen“. Nasikoll berichtete: „In einem ersten persönlichen Brief an mich hat die Eigentümerfamilie die Absicht erklärt, in unsere Standorte zu investieren und die Bedeutung der Mitbestimmungskultur betont.“
In einem Interview mit der im Ruhrgebiet erscheinenden Westdeutschen Allgemeinen Zeitung ergänzte Kerner ein paar Tage später: „Positiv ist auch, dass sich Jindal zum Bau der DRI-Anlage in Duisburg und zur Montanmitbestimmung bekennt, also die Konfliktthemen der vergangenen Monate aufgreift.“
Kerner glaubt, dass dieses Angebot gut vorbereitet worden sei. „Dass es zwei Wochen nach dem positiven Mitgliedervotum zur Restrukturierung kommt, ist kein Zufall. Denn jetzt ist klar, dass die Beschäftigten trotz Einschnitten bereit sind, diesen schwierigen, aber notwendigen Weg mitzugehen.“
Mit anderen Worten, IG Metall und Betriebsrat haben mit den Milliardenkürzungen des Sozialtarifvertrags den Stahlbereich reif für die Übernahme gemacht.
Wenn also jetzt Kerner, Nasikoll und Co. im Zusammenhang mit dem Jindal-Angebot von Sicherung der Standorte und Arbeitsplätze fabulieren, ist das gelogen. Mit ihrem Sozialtarifvertrag hatte die IG Metall ihre Gleichgültigkeit gegenüber der Belegschaft bewiesen. Sie hat den Abbau von 11.000 der 27.000 Arbeitsplätze festgeschrieben, zusätzlich empfindliche Lohneinbußen für die verbleibenden Arbeiterinnen und Arbeiter durchgesetzt.
Es gibt keine „rote Linie“ des IGM-Apparats und seines Betriebsrates, wenn es um Löhne und Arbeitsplätze geht. Aber sie schreien sofort auf, wenn es um die „Mitbestimmung“ geht.
Was die IG Metall „Mitbestimmung“ nennt, ist in Wahrheit die in Deutschland legalisierte Korruption der Gewerkschaften. Es ist gesetzlich geregelt, dass die gewerkschaftlichen Funktionsträger und der gesamte IGM-Apparat für ihre Rolle als Betriebspolizei von den Konzernen fürstlich belohnt werden. Die Aufsichtsräte sind zur Hälfte mit Vertretern der Gewerkschaften besetzt. Sie erhalten jährlich hohe fünf- bis sechsstellige Summen. Jürgen Kerner erhielt im Geschäftsjahr 2023/24 186.500 Euro, der damalige IGM-Sekretär Markus Grolms, der den Thyssenkrupp Aufsichtsrat in 2018 sogar für drei Monate leitete, in diesem Jahr 167.500 Euro. Auch die Betriebsratsvorsitzenden erhalten hohe meist sechsstellige Gehälter.
Richtig lohnend wird es aber, wenn einer von ihnen Personalvorstand wird. Die IG Metall hat dazu das Vorschlagsrecht und belohnt ihre Funktionäre mit diesen einträglichen Posten. Dann geht es um Millionen. So war Markus Grolms von 2020 bis Januar 2025 Personalvorstand bei TKSE und hat Millionen erhalten. Während Grolms inzwischen im Aufsichtsrat der Deutschen Edelstahlwerke sitzt, ist ihm als Personalvorstand bei TKSE Dirk Schulte gefolgt, Sohn des ehemaligen Thyssenkrupp-Stahlvorsitzenden und DGB-Chefs Dieter Schulte.
Am einträglichsten hat Oliver Burkhard seine Karriere gestaltet. Der ehemalige NRW-Bezirkssekretär der IG Metall wurde über den Personalvorstand bei Thyssenkrupp (Jahresgehalt über eine Million Euro) zum Vorstandsvorsitzenden des Rüstungskonzerns Thyssenkrupp Marine Systems (Jahresgehalt bis zu 4,5 Millionen Euro oder 375.000 Euro im Monat).
Das ist der Grund, weshalb die IGM seit Jahren bei allen Veränderungen oder Verkäufen auf so genannte „Grundlagenvereinbarungen“ pochen. Schon als Thyssenkrupp Stahl 2017 mit dem indischen Stahlkonzern Tata Steel fusioniert werden sollte, hatten IGM und Betriebsrat den Abbau von mindestens 2000 Arbeitsplätzen befürwortet und im Gegenzug die Mitbestimmung „gerettet“. Wenig später leitete Grolms die erste „Grundlagenvereinbarung“ ein, die dann unter Martina Merz verlängert wurde. Merz hatte wie schon ihr Vorgänger Guido Kerkhoff den Auftrag, den Konzern im Auftrag der Aktionäre zu zerschlagen und in eine Art Holding zu verwandeln. Was Merz nicht gelang, geht nun Miguel Lopez bei Thyssenkrupp an.
Nun soll Lopez die „Mitbestimmung“ absichern und die Grundlagenvereinbarung verlängern, die in diesem Monat ausläuft. Die Kampagne, die die IG Metall dazu führt, hält sie jedoch auf absoluter Sparflamme. Denn das letzte, was Gewerkschafts- und Betriebsrats-Apparat wollen, ist eine breite Mobilisierung der Beschäftigten.
Welche schändliche Rolle die Bürokraten spielen, zeigt sich auch in der aktuellen Tarifrunde für die 60.000 Beschäftigten der nord-westdeutschen Eisen- und Stahlindustrie. Die IG Metall stellte keine prozentuale Forderung auf, bat nur darum, die „Reallöhne zu sichern“. Die Stahlkonzerne nahmen diese Einladung dankend an und boten in der dritten Runde 1,2 % Lohn- und Gehaltserhöhung an. Die Gewerkschaft hat daraufhin angeboten, für 2 % Entgelterhöhung abzuschließen.
Um die traditionsreichen Thyssenkrupp-Stahlwerke an Rhein und Ruhr zu verteidigen, ist ein Kampf gegen den Gewerkschaftsapparat und seine Betriebsräte notwendig.
Dazu sind als erstes neue Kampforganisationen notwendig, Aktionskomitees, die von den Arbeitern selbst kontrolliert werden. IGM-Betriebsräte dürfen darin nichts zu suchen haben. Diese Aktionskomitees müssen für die breiteste Mobilisierung der Arbeiterklasse in Deutschland, in Europa und international kämpfen. Die Sozialistische Gleichheitspartei und die World Socialist Web Site bieten dabei ihre Unterstützung an. Schreibt uns eine Whatsapp unter +491633378340 und füllt das untenstehende Formular aus, um die ernsthafte Verteidigung von Arbeitsplätzen und Löhnen vorzubereiten.