„Auch die Kinder müssen ‚kriegstüchtig‘ werden“ – so hätte der passende Titel für die Logo!-Sendung zum Thema Wehrpflicht vom 12. Juli lauten können. Logo! ist das vom ZDF für Kinder produzierte Nachrichtenformat. Seit 1997, mit der eigenständigen Ausstrahlung des Kinderkanals (KiKa), erscheint Logo! dort und wird seit 2010 täglich ausgestrahlt. Im seit 2024 betriebenen logo! no.front-Format sollte über die Frage „Sollte es wieder einen verpflichtenden Wehrdienst geben?“ diskutiert werden – [hier abrufbar].
„Beim Pro-&-Contra-Debattenformat logo! no.front, moderiert von Maral Bazargani und Sherif Rizkallah, diskutieren Jugendliche ein aktuelles nachrichtliches oder zielgruppenrelevantes Thema“, beschreibt es der Sender selbst. Jeweils drei Kinder stehen sich mit konträren Standpunkten gegenüber. Ziel soll sein, Gemeinsamkeiten zu finden oder am Ende sogar einen Kompromiss.
Doch Moderator Rizkallah hat das mit „no front“ offenbar anders verstanden – er konfrontierte und attackierte fast durchgehend die drei Kinder der Antikriegsseite.
Rizkallah gibt gleich zu Beginn die Richtung vor und versucht erst gar nicht, ein differenziertes Bild zu vermitteln. Der Angriff Russlands habe gezeigt, dass Kriege auch in Europa wieder möglich seien, und „wir müssen uns darauf vorbereiten“, erklärt der Moderator ganz im Dienste der „Zeitenwende“.
Eine Erwähnung vergangener völkerrechtswidriger oder aggressiver Einsätze der Bundeswehr – wie in Jugoslawien, Afghanistan oder Syrien – findet sich in der gesamten Sendung ebensowenig wie ein Verweis auf die massenmörderische deutsche Kriegsgeschichte zweier Weltkriege.
Dafür hantiert er mit fragwürdigen Zahlen, die suggerieren, eine Mehrheit stehe hinter der Wehrpflicht. 61 Prozent der Mitschüler hätten laut Logo! eigener Umfrage gesagt, sie würden im Ernstfall für ihr Land kämpfen wollen.
Die Ergebnisse der im Juni veröffentlichten „Jugendtrendstudie 2025“ mit 5.000 Teilnehmenden zwischen 15 und 30 Jahren zeichnen hingegen ein deutlich anderes Bild: 81 Prozent dieser Altersgruppe sind nicht bereit, „für ihr Land“ zu sterben, 69 Prozent wollen es auch nicht mit der Waffe verteidigen. Auch Umfragen in der Gesamtbevölkerung – etwa des ZMSBw (2024) oder des Meinungsforschungsinstituts Forsa (2025) – zeigen, dass 52 bzw. 59 Prozent ebenfalls ablehnen, Deutschland militärisch zu verteidigen.
Die ganze Sendung folgt einer eindeutigen Linie: Kindern soll die „Kriegstüchtigkeit“ schmackhaft gemacht werden. Rizkallah hinterfragt zu keinem Zeitpunkt die Standpunkte der drei Kinder, die sich für die Wehrpflicht aussprechen, attackiert aber die drei, die vage dagegen argumentieren.
Gestützt auf einen kurzen Einspieler, der den Bedarf nach Zehntausenden Soldaten sowie die angeblich mangelhafte Finanzierung der Bundeswehr als objektive Tatsachen darstellt, attackiert Rizkallah gleich zu Beginn mit der Frage: „Wenn jetzt unfassbar viele Leute so wie du denken würden – wer soll es dann machen?“
Wie bereits aufgezeigt: Es sind tatsächlich unfassbar viele, die so denken. Um diese Positionen weiter zu diskreditieren, stellt er einem Kind der Contra-Fraktion sogar die Frage, ob es nicht „absurd“ und eine „egoistische Entscheidung“ sei, hier sicher zu leben, aber zu sagen: „Ich will nichts dafür tun.“ Zu seiner vermutlich herben Enttäuschung verteidigte das Kind seinen Standpunkt als nachvollziehbar.
Im weiteren Verlauf versucht Rizkallah dann, Brücken zu bauen und die Contra-Fraktion zu überreden – man könne ja auch als Arzt, Ingenieur oder Koch dienen. Außerdem macht er die aktuelle Regelung schmackhaft, da diese zunächst auf Freiwilligkeit setzt.
Die rhetorischen Tricks des Moderators erinnern an die abstoßenden Methoden, mit denen in der Vergangenheit auch Wehrdienstverweigerer konfrontiert wurden. Mit Fokus auf emotionale Appelle werden die Ursachen von Krieg, Aufrüstung und Bundeswehreinsätzen vollständig ausgeklammert. Am Ende inszeniert Rizkallah einen scheinbaren Kompromiss: Alle würden doch zustimmen, dass man seinem Land etwas zurückgeben sollte – ob militärisch oder nicht.
Diese einzelne Sendung kommt nicht aus heiterem Himmel. Auf der Logo!-Website finden sich unter dem Schlagwort „Bundeswehr“ 33 Beiträge – von der Verharmlosung des Afghanistan-Einsatzes über ein rührseliges Video über „Papa als Soldat“ bis hin zur Erklärung des neuen Veteranentags. Über die braune Vergangenheit der Bundeswehr, rechtsextreme Netzwerke oder Misshandlungen in der Truppe: kein Wort.
Das Beispiel zeigt einen tiefgreifenden Umbruch in der deutschen Nachkriegsgesellschaft. Trotz der Kontinuität alter Nazis in Wirtschaft, Politik und Beamtenschaft war der deutsche Imperialismus nach 1945 gezwungen, Kreide zu fressen. Eine pazifistische Erziehung und Kriegsskepsis prägten weite Teile der Bevölkerung.
Noch vor wenigen Jahren empörten sich Eltern aus dem grün-nahen Milieu darüber, wenn Kinder beim Spielen aufeinander „schossen“ oder kriegerische Rollen einnahmen.
An dieser Stelle ist kein Platz für eine umfassende Diskussion über die pädagogischen Hintergründe. Fakt ist: Während die Opposition gegen Krieg in der Arbeiterklasse tief verwurzelt bleibt, wurde die pazifistische Kinderstube für die herrschende Klasse spätestens mit der erklärten „Zeitenwende“ und der Rückkehr des deutschen Militarismus ab 2013 zum politischen Problem.
Beispielhaft ist eine Kolumne von Jan Fleischhauer im Spiegel (2016), in der er über Forscher spottet, die LEGO wegen „Militarisierung im Kinderzimmer“ kritisieren. Im Rückgriff auf die Kölner Silvesternacht und unter Berufung auf den rechtsradikalen „Gewaltforscher“ Jörg Baberowski schlussfolgert er, „etwas Militarisierung im Kinderzimmer“ sei „im Zuge der Globalisierung möglicherweise doch ganz nützlich“.
Die abstoßende Logo!-Sendung reiht sich in diese allgemeine Rechtsentwicklung ein. Seit dem Ukrainekrieg lassen Politik und Medien mehr und mehr die Maske fallen. Das Ende pazifistischer Bildung geht mit dem Bankrott pazifistischer Politik einher. Die Grünen – einst pazifistische Partei – sind heute das militanteste Sprachrohr des deutschen Militarismus.
Heute sind sich im Bundestag alle Parteien einig, dass Deutschland seine Interessen auch mit militärischen Mitteln verteidigen muss. Bundeskanzler Merz erklärte zuletzt, Deutschland müsse wieder „die stärkste Armee Europas“ stellen.
Längst ist den Militärstrategen klar: Die geringe Zustimmung in der Bevölkerung ist eine Schwachstelle. Im „Operationsplan Deutschland“ wird deshalb der „Mindset der Bevölkerung“ als eine der größten Herausforderungen benannt.
Die aggressiven Werbeplakate der Bundeswehr kennt jeder. Doch auch ihre Präsenz auf Stadtfesten, Messen, in Schulen und auf Social Media hat massiv zugenommen – insbesondere auf YouTube, Instagram und TikTok. Zielgruppe: Jugendliche, die noch formbar sind.
Die Bundeswehr ist seit Jahren auf der Gamescom in Köln präsent. Warum „gerade die Gaming-Community für die Bundeswehr so interessant“ sei, erklärt sie selbst auf bundeswehr.de: Gamer hätten „geschulte Hand-Augen-Koordination, technisches Verständnis und die Fähigkeit, komplexe Systeme schnell zu durchdringen“ – ideale Voraussetzungen für Cyber-Operationen oder elektronische Kampfführung.
Die Bundeswehr vermarktet sich als „vielseitiger, hochspezialisierter Arbeitgeber“, der jungen Menschen „spannende Perspektiven“ biete – und nutzt genau jene sozialen Missstände, die die herrschende Politik selbst erzeugt hat.
Dabei folgt sie dem Vorbild der US-Armee: soziale Verwüstung nutzen, um Menschen freiwillig als Kanonenfutter zu rekrutieren.
Seit Aussetzung der Wehrpflicht – die nun reaktiviert werden soll – wirbt die Bundeswehr jährlich Tausende Minderjährige an. 2024 mit einem traurigen Rekord: 2.203 unter 18-Jährige wurden rekrutiert. Damit verstößt Deutschland gegen UN-Resolutionen wie die Pariser Prinzipien und die Kinderrechtskonvention, die Kindersoldaten ächten.
Seit Beginn des Ukrainekriegs hat die Militarisierung der Gesellschaft enorm zugenommen – in Osteuropa, der Ukraine und Russland noch stärker. Schießunterricht in Schulen, nationalistischer Heldenkult und Zwangsrekrutierung sind dort längst Normalität.
Die KiKa-Redaktion – und mit ihr die deutschen Eliten – sind offenbar entschlossen, auch hierzulande wieder an die militaristischen Traditionen des Kaiserreichs und der NS-Zeit anzuknüpfen – und zwar bei den Jüngsten.