Die Demonstration „Unite the Kingdom“ am Samstag war die größte Mobilisierung rechtsextremer Kräfte in der Geschichte Großbritanniens.
Mit schätzungsweise 100.000 bis 150.000 überstieg die Zahl der Teilnehmer bei weitem alles, was der antimuslimische Demagoge Tommy Robinson normalerweise mobilisieren kann. Zudem blieb sie nicht auf seine übliche Anhängerschaft von Fußballhooligans und faschistischen Schlägern beschränkt. Zu dieser Kerngruppe stießen diesmal auch Arbeiter mit ihren Familien, teilweise aus stark benachteiligten Schichten, die die rechtsradikale Botschaft verinnerlicht hatten, dass für das soziale Elend und den Zusammenbruch sozialer Dienstleistungen die Zuwanderung verantwortlich sei.
Ermöglicht wurde diese Schuldzuweisung, indem die Massenmeiden und das gesamte politische Establishment das kehlige Geschrei der Faschisten bewusst und systematisch verstärken. Die Labour-Regierung unter Keir Starmer spielt dabei die zentrale Rolle.
Starmer hat seit Beginn seiner Amtszeit im Juni 2024 unerbittlich und in wachsendem Maße den Lebensstandard der Arbeitenden und wichtige Sozialleistungen angegriffen, während er Militarismus und Nationalismus schürt, um sich im Nato-Krieg gegen Russland zu behaupten und den Völkermord in Gaza zu unterstützen. Starmer beharrt darauf, dass der Austeritätskurs verschärft werden müsse, weil der Sozialstaat angeblich nicht mehr finanzierbar sei.
Je mehr dies die Entstehung rechtsextremer Tendenzen begünstigt – und die Partei Reform UK von Nigel Farage ist mittlerweile zur populärsten Partei Großbritanniens geworden – desto lauter trommelt die Labour-Regierung für Nationalismus.
Im Vorfeld der Demonstration am Samstag fanden den gesamten Sommer über immer wieder rechte Proteste vor Hotels statt, in denen Asylbewerber untergebracht sind. Dazu kam die faschistische „Raise the Colours“-Kampagne, in deren Rahmen die englische Georgskreuz-Flagge und der Union Jack an Laternen, Regierungsgebäuden und Denkmälern gehisst werden. Labour reagierte darauf mit dem Versprechen, hart gegen Asylanträge von Familienangehörigen der Geflüchteten durchzugreifen, und prahlte mit der Abschiebung von 45.000 Asylbewerbern. Sie versprach außerdem, die vorübergehende Unterbringung in Hotels durch de facto Konzentrationslager in stillgelegten Lagerhäusern und militärischen Einrichtungen zu ersetzen, und erklärte ihre Unterstützung für das Hissen der Flagge.
So lautete die wichtigste, gegen die Regierung gerichtete Parole am Samstag: „Keir Starmer ist ein Wichser“, nebst lauten „Stoppt die Boote!“–Rufen. Robinson konnte sich auch damit brüsten, dass „Politiker plötzlich den Mut finden und nachplappern, was wir seit 15 Jahren sagen“.
Robinson bezog sich dabei ausdrücklich auf die Übernahme seines migrantenfeindlichen Kurses. Er hätte jedoch auch Starmers Verteidigung des israelischen Völkermords in Gaza und die massenhafte Unterdrückung politischer Gegner erwähnen können. Die Unterstützung für den Massenmord des zionistischen Staats und die Zurschaustellung von israelischen Flaggen waren bei der bösartig muslimfeindlichen Demonstration ein wichtiges Thema.
Die Unterstützung der herrschenden Elite Großbritanniens für die Proteste gegen Asylsuchende und für die Beflaggung hat zwei miteinander zusammenhängende Gründe. Labour wurde an die Macht gebracht, um eine Agenda von Krieg und Austerität umzusetzen, die eine krisengeschüttelte Tory-Regierung nicht mehr wirksam fortsetzen konnte. Doch Starmer wurde mehrfach dafür kritisiert, vor den schlimmsten Kürzungen zurückzuschrecken und die Militärausgaben nicht schnell genug anzuheben. Das Schüren von rechter Opposition soll sowohl Labours Entschlossenheit stärken, als auch, falls notwendig, die Grundlage für einen Kurswechsel zur extremen Rechten schaffen.
Dass die extreme Rechte bewusst gestärkt wird, spiegelt nicht nur Prozesse wider, die in Frankreich, Italien und anderen Ländern Europas sowie international stattfinden. Es wird auch bewusst in internationalem Maßstab organisiert. Unter den Rednern bei der Kundgebung am Samstag waren der rechtsextreme französische Politiker Eric Zemmour, der Führer der Dänischen Volkspartei Morten Messerschmidt und Petr Bystron von der Alternative für Deutschland (AfD).
Doch der mit Abstand bedeutendste Gast war Elon Musk, der einmal mehr seine Unterstützung für Robinson erklärte, zu Starmers Sturz aufrief und eine gewaltsame Konfrontation mit der Linken forderte.
Musks Anwesenheit zeigt, dass hinter der Inszenierung von Robinson und seinesgleichen, mit ihren Beschwörungen der „Macht des Volkes“ und ihren Versprechungen, den „britischen Arbeitern“ den Vorrang einzuräumen, eine Bewegung steht, die von der Finanzoligarchie finanziert wird und die deren Interessen vertritt. Musk und andere superreiche Oligarchen haben schon Trumps faschistische MAGA-Bewegung unterstützt; nun stellt der zweitreichste Mann der Welt sein Vermögen und die von ihm kontrollierten sozialen Medien in den Dienst der britischen extremen Rechten, wie zuvor schon in den der AfD.
Im Videogespräch mit Robinson erklärte Musk: „Was ich hier sehe, ist die Zerstörung Großbritanniens... durch massenhafte unkontrollierte Zuwanderung, ein Versagen der Regierung, unschuldige Menschen, darunter Kinder, zu schützen, die Opfer von Gruppenvergewaltigungen werden.“ Er forderte einen sofortigen „Regierungswechsel“ durch die „Auflösung des Parlaments“, einen „revolutionären Regierungswechsel“, der eine Zukunft der „Deregulierung [und] des massiven Bürokratieabbaus...“ schaffen werde.
Die Rolle der amerikanischen Rechtsextremisten war am Samstag überall offensichtlich. Nach dem Mord an dem Trump-nahen Influencer Charlie Kirk versprach Robinson, seine Kundgebung zu einer Gedenkfeier für den faschistischen Provokateur zu machen. Sky News würdigte den offen zur Schau gestellten christlichen Nationalismus: Teilnehmer trugen hölzerne Kreuze, und auf der Bühne wurde „Christ is King“ gesungen und das Vaterunsers gebetet.
Musk machte deutlich, dass diese Seligsprechung von Kirk vor allem darauf abzielt, eine Pogromstimmung gegen die Linke zu schüren, um einen massiven Angriff auf die Arbeiterklasse vorzubereiten. Er wetterte gegen „die Gewalt der Linken, durch die unser Freund Charlie Kirk diese Woche kaltblütig ermordet wurde ... Die Linke ist die Partei des Mordes und der Verherrlichung von Mord.“
Im letzten Sommer hatte Musk angesichts einer Welle von gewalttätigen migrantenfeindlichen Unruhen in Großbritannien erklärt: „Ein Bürgerkrieg ist unvermeidlich.“ Am Samstag rief er ebenfalls zum Bürgerkrieg auf und erklärte: „Wenn das so weitergeht, wird diese Gewalt auch euch erreichen, ihr werdet keine Wahl haben. Ihr befindet euch hier in einer fundamentalen Situation, in der euch Gewalt bevorsteht, ob ihr euch dafür entscheidet oder nicht. Entweder ihr wehrt euch, oder ihr sterbt.“
Für die Gefahr, die der Arbeiterklasse durch das Anwachsen der Rechtsextremen droht, sind nicht nur diejenigen verantwortlich, die (wie Starmer) offen der herrschenden Klasse dienen. Faschistische Ideologen wie Robinson und „seriösere“ Gestalten wie Farage können das soziale Elend und den weit verbreiteten Hass auf die Starmer-Regierung nur ausnutzen, weil Kräfte, die behaupten „links“ zu sein, die weit verbreitete linke Stimmung in der Arbeiterklasse systematisch unterdrücken.
Im Jahr 2015 wurde Jeremy Corbyn zum Vorsitzenden der Labour Party gewählt. Millionen von Arbeitern erhofften sich von ihm Lohnerhöhungen, den Wiederaufbau des National Health Service, der Sozialwohnungen und Schulen, ein Ende von Großbritanniens Kriegstreiberei und den Rauswurf des rechten Blair-Flügels. Corbyn hat diese politischen Hoffnungen verraten und verschaffte stattdessen der rechten Politik in all ihren Schattierungen einen Adrenalinstoß.
Am Sonntag erklärte Corbyn in einem oberflächlichen Tweet: „Diese Regierung hätte es mit den Superreichen aufnehmen können, um die Ungleichheit zu bekämpfen. Stattdessen hat sie beschlossen, den Rassismus anzufachen und die extreme Rechte zu ermutigen.“ Doch damit entschuldigt er vor allem sein eigenes Unvermögen, sich den Superreichen entgegenzustellen und die Ungleichheit zu bekämpfen, noch ehe er die Kontrolle über die Labour Party an Starmer übergab.
Corbyn fügte hinzu: „Es ist Zeit für eine echte Alternative, die Vermögen, Eigentum und Macht umverteilt.“ Die Partei, die er mit der ehemaligen Labour-Abgeordneten Zarah Sultana gegründet hat, erwähnt er ebenso wenig, wie er erklärt, wie eine solche Umverteilung stattfinden soll, wenn ihre Gegner die Unterstützung der Oligarchie und den Schutz des Staates genießen. Seine Rolle ist es einmal mehr, die Arbeiterklasse mit einer Liste frommer Wünsche zu entwaffnen, während sich der Feind auf den Klassenkrieg vorbereitet.
Die britischen pseudolinken Gruppen spielen eine wichtige Rolle als Hilfskräfte. Sie propagieren Kampagnen wie Stand Up To Racism und Unite Against Fashism, die wiederum diverse Gewerkschaftsbürokraten und Labour-„Linke“ unterstützen – darunter diejenigen, die jetzt widerwillig zum Austritt aus der Partei gezwungen wurden.
Der Socialist Worker hat einen Kommentar über die Gegendemonstration mit einigen tausend Teilnehmern am Samstag veröffentlicht. Kritisiert wurden Forderungen, die sich auf die „wirtschaftsfreundliche Politik der Rechtsextremen“ und auf diejenigen beziehen, die „behaupten, ihr Aufstieg gehe hauptsächlich auf die Austerität zurück“. Der Socialist Worker bezeichnete dies als Ablenkung davon, dass der Aufstieg der Rechtsextremen vor allem auf ihren „Widerstand gegen ,massenhafte‘ und ,illegale‘ Zuwanderung“ zurückzuführen sei.
Damit verschafft der Socialist Worker der Labour- und Gewerkschaftsbürokratie, auf die er sich hauptsächlich ausrichtet, eine politische Amnestie. Er verweist auf die Anwesenheit von „54 Fahnen von Gewerkschaftsortsgruppen bei der Demonstration, darunter 20 von der Gewerkschaft NEU sowie Transparente der sieben Trade Union Councils“. Dabei war es eine Kundgebung ohne nennenswerte Teilnahme der Arbeiterklasse, die von derjenigen der Rechtsextremen zahlenmäßig gefährlich übertroffen wurde. Das ist kein „Weckruf“, wie der Socialist Worker behauptet, sondern ein Versuch, die Arbeiter einzulullen.
Die Einheit der Pseudolinken mit der offiziellen „Linken“ verhindert den Kampf zur wirklichen Vereinigung der Arbeiterklasse, der britischen und zugewanderten Arbeiter gegen Kapitalismus und für Sozialismus, was die einzige Möglichkeit ist, um den Aufstieg der extremen Rechten aufzuhalten.
Die Socialist Equality Party ruft die Arbeiter auf, Aktionskomitees in allen Fabriken, Betrieben und Universitäten zu bilden, um den Würgegriff der Gewerkschaftsbürokratie zu durchbrechen und diesen Kampf voranzubringen. Dies macht den Weg frei dafür, dass Arbeitende damit beginnen, die Migranten kollektiv zu verteidigen, und gleichzeitig in Betrieb und Politik den Kampf gegen die Starmer-Regierung aufnehmen. Ein solcher Kampf wird den Faschisten den Boden entziehen und das politische Klima – nicht nur in Großbritannien, sondern auf der ganzen Welt – verändern.